Schule / Ausbildung und Anaphylaxie
Wenn ein Kind mit dieser schwersten Form der Erdnuss-/Nussallergie eingeschult wird, ist es leider unumgänglich, das Umfeld mit einzubeziehen und um Rücksichtnahme zu bitten. Schon Kontakt mit kleinsten Spuren einer Erdnuss oder Nuss, etwa an Tischen oder Stühlen, in manchen Fällen sogar durch Erdnuss-/Nusspartikel in der Luft (beispielsweise beim Öffnen einer Packung erdnuss-/nusshaltiger Snacks) kann bei Betroffenen lebensgefährliche Reaktionen hervorrufen. Ausser dem Einsatz der Notfallmedikation (Adrenalin-Autoinjektor, sowie Antihistamin- und Kortisonpräparate, die nach Verabreichung trotzdem im Fall einer Anaphylaxie immer den Einsatz der Ambulanz und Hospitalisierung erfordern) sind heute in vielen Fällen keine präventiven Therapien verfügbar. Selbst wenn der Patient die Initaldosis für eine Immuntherapie toleriert, ist diese immer mit dem Risiko von Anaphylaxien verbunden (siehe Immuntherapie). Es bleibt daher oftmals nur das strikte Vermeiden der Allergene als Präventionsmassnahme.
Das Allergenmanagement in den Schulen dient daher (im Interesse aller, Lehrpersonen, Mitschüler und betroffenen Kind) dazu, lebensbedrohliche Notfälle möglichst zu vermeiden. Wir als Verein haben Kenntnis von mindestens 80 Schulen (Stand 2018), mit über 150 betroffenen Kindern, die ein Allergenmanagement für Kinder mit dieser Allergieform eingerichtet haben. Auf Grund des Wirkungskreises unseres Vereins sind die uns bekannten Schulen vor allem solche aus der Deutschschweiz; es sind aber auch Schulen in der Westschweiz betroffen und in den Zahlen enthalten.
Die Eltern der Mitschüler werden in den meisten Fällen mit Informationsschreiben der Schule sowie durch Information am Elternabend gebeten, auf Erdnüsse und/oder Nüsse im Schulareal zu verzichten. Einige der Schulen erklären sich sogar formell als „erdnussfrei“ oder „nussfrei“. Unsere Erfahrung mit den anderen Kindern in der Klasse und der Schule zeigt, dass die Kinder sich sehr gut auf die Situation einzustellen vermögen und diese gut annehmen. Für sie ist das gar keine grosse Sache. Oft kennen sie das Thema Allergien bereits aus ihrem Umfeld, wenn auch meist nicht in diesem Schweregrad.
Informationen zu Workshops für Lehrpersonen finden sich auf www.aha.ch.
Verschiedene weitere Hilfe findet sich auch bei unserem deutschen "Schwester"-Verein, www.nussallergie.org oder auf https://www.allergo-logisch.de/.
Q&A:
„Wie schützt eine betroffene Familie sonst ihr Kind vor diesen Minimal-Immissionen/ Kontaminationen, z.B. in öffentlichen Verkehrsmitteln oder auf der Strasse?“
Unsere Kinder / Allergiker sind jeden Tag von vielen Aktivitäten ausgeschlossen oder es ist nur unter erschwerten Bedingungen möglich, diese Aktivitäten wahrzunehmen. Jeder Restaurantbesuch ist schwierig, oft unmöglich, wir können auch nicht einfach bei der Bäckerei Brot für die Kinder kaufen. Die Kinder können nicht einfach zu Kollegen zum Spielen gehen, die Medikamente sind immer dabei und immer muss ein Erwachsener dabei sein, der präventiv eine möglichst sichere Umgebung prüft und im Notfall rechtzeitig und richtig reagieren kann, in der Medikamentenhandhabung geschult ist. Jeder Bissen kann tödlich sein. Dennoch möchten wir unseren Kindern und erwachsenen Allergikern ein so normales Leben wie möglich offen halten und engagieren uns als Verein daher, ihnen dabei zu helfen. Erforderlich ist eine stete Wachsamkeit, Alarmbereitschaft und insbesondere das Mittragen der entsprechenden Notfallmedikamente (Adrenalinspritze, Antihistamin, Kortison, ev. Asthmaspray). Auch ein Handy ist immer mit dabei und das Bewusstsein, wie weit das nächste (Kinder-)Spital entfernt ist. Damit die Eltern die Kinder nicht in die Schule begleiten müssen, müssen auch die Lehrpersonen diese Notfallmedikamente kennen und anwenden können.
„Welche Massnahmen sind erforderlich?“, „Müssen wegen eines Kindes alle verzichten?“
Bei einer anaphylaktischen Reaktion ist unmittelbar und sofort das Leben eines Kindes / Betroffenen in Gefahr. Es gilt daher, in Zusammenarbeit mit dem/der behandelnden Allergologin/Allergologen festzustellen, welche Menge des Allergens zu einer solchen Lebensgefährlichen Reaktion führen kann. Reichen für das betroffene Kind bereits das Öffnen einer Tüte Erdnussflips durch ein neben ihm stehendes Kind oder wenn ein anderes Kind, das gerade Erdnüsse gegessen hat und mit ungewaschenen Händen das betroffene Kind anfasst, sodass das Allergen in die Schleimhäute gelangt, bedarf es bedeutend strikterer Massnahmen, um die Sicherheit und das Leben des betroffenen Kindes zu schützen, als wenn ein Kind erst anfängt mit einem Kribbeln im Mund zu reagieren, wenn es z.B. 5 Erdnüsse gegessen hat. Wir sprechen hier von den schweren Erdnuss-/Nuss-/Nahrungsmittelallergikern, die bereits auf Spuren im Milligrammbereich mit Anaphylaxie reagieren können.
Auch für diese sehr schweren Allergiker genügen vergleichsweise einfache Massnahmen, das Risiko einer Reaktion ganz entscheidend zu senken. Es gibt für fast alle üblichen Pausensnacks etliche Alternativen, welche keine Erdnüsse oder Nüsse enthalten. Snickers, M&M’s, Peanut Butter oder Erdnussflips sind auch nicht als gesunde Pausensnacks zu betrachten. Ein Verzicht auch der Mitschüler auf die eigentlichen Allergene, bzw. Produkte, welche diese Allergene als Zutat enthalten, ist oft ausreichend, um die Allergiker zu schützen. Alle Eltern der betroffenen Kinder verfügen für ihren täglichen Gebrauch auch über Listen mit geeigneten Lebensmitteln, welche sie Eltern der anderen Kinder der Klasse gerne übergeben und auch die Lehrpersonen dürfen diesbezüglich gerne kontaktiert werden.
„Warum können diese Kinder nicht in einer eigenen Schule unterrichtet werden?“
Wir setzen uns als Verein klar für Inklusion unserer Kinder und Allergikerinnen und Allergiker ein. Verschiedene Rechtsdienste der Kantone haben mittlerweile auch geklärt, dass allein wegen einer (auch sehr schweren) Allergie ein Kind nicht sonderbeschult werden darf, sondern zu integrieren ist.
Die Frage, die sich stellt, ist, was der Bildungsauftrag der Schule umfasst. Nach den Volksschulgesetzen der Kantone gilt der integrative Unterricht, wonach auch Kinder mit besonderen Bedürfnissen in der öffentlichen Schule unterrichtet werden. Das Diskriminierungsverbot der Bundesverfassung bzw. die UNO Behindertengleichstellungskonvention werden durch das Behindertengleichstellungsgesetz auf Bundesebene umgesetzt. Obwohl das Behig nicht unmittelbar auf den Schulbereich anwendbar ist (da kantonal), gelten dessen Prinzipien nur schon basierend auf der Bundesverfassung bzw. der UNO-Konvention. Sind nun Kinder mit lebensgefährlichen Allergien anders zu behandeln und nicht in der öffentlichen Schule unterrichtbar? Dies ist zu verneinen (s. auch Merkblätter des Kantons Zürich zu Erdnuss-/Nussallergien in der Schule).
Ich kann die Lehrpersonen sehr gut verstehen und begrüsse es persönlich und aus eigener Erfahrung, wenn sie Regeln aufstellen, um zu verhindern, dass sie als Lehrpersonen in eine solche Notfallsituation geraten, mit Einsatz der Notfallmedikamente, Ambulanz und Hospitalisation des betroffenen Kindes. Dies ist auch für die Lehrperson und die Mitschüler schwierig. Auch für die Schule ist es herausfordernd, einen solchen Auftrag anzunehmen und damit umzugehen.
Im Namen aller betroffenen Kinder und Eltern danken wir allen Schulen, die sich der Thematik annehmen und unseren Kindern so etwas Normalität in ihrem Leben ermöglichen, auch ausserhalb von ihrem Daheim.
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Weitere Artikel / Berichterstattungen zum Thema, z.B.:
MeinAllergiePortal: Primarschule mit Nussverbot
Tageswoche, Die Angst isst mit
Tageswoche, Immer wieder werden Kinder wegen ihrer Allergie gemobbt
SRF, Kassensturz-Espresso, Erdnussallergie: Herausforderung fürs Umfeld
SRF Mitenand: Nina muss immer aufpassen
NZZ Format: Allergien – Amoklauf des Immunsystems
MeinAllergiePortal: Nussfreies Schulhaus Gabler
Kanton Zürich, Merkblätter Erdnuss-/Nussallergie
Stadt Zürich, Chronische Krankheiten